Falsche Erwartungen - unerwünschtes Wachstum

Wird die Bevölkerung der Schweiz weiter wachsen?

 

Eine Analyse der Daten des BfS

 

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In der Schweiz werden gegenwärtig sehr viele neue Wohnhäuser gebaut. Die Bauherren sind anscheindend überzeugt, dass in den nächsten 50 Jahren mehr Wohnraum gebraucht wird als in der Vergangenheit. Sie werden darin bestätigt von den Medien, die immer wieder vom Bevöl-kerungswachstum in der Schweiz berichten. Diese ihrerseits berufen sich auf Medienmitteilungen des Bundesamtes für Statistik (BfS), die in den letzten Jahren regelmässig ein Wachstum der Immigration, aber auch eine Zunahme der Geburtenzahl angezeigt haben. Nach einer Mitteilung vom Februar 2009 gab es 2008 einen Geburtenüberschuss, obwohl die Fruchtbarkeit mit 1,48 Kindern pro Frau weit unter dem Wert liegt, der für die Erhaltung der Bevölkerungsgrösse notwendig wäre. Ein Zwischentitel lautet: Zunahme der Geburtenzahl hält an. Solche Medien-mitteilungen sind geeignet, den Wohnungsbau zu stimulieren, aber sie sagen nur die halbe Wahrheit.
Es wird verschwiegen, dass die Zunahme der Geburtenzahlen in den letzten Jahren nicht in die Zukunft extrapoliert werden darf. Entscheidend für langfristige Prognosen ist nämlich allein die mittlere Geburtenzahl pro Frau. Wenn diese kleiner als zwei ist, dann muss die Geburtenzahl der Bevölkerung langfristig abnehmen. Die Zunahme der Geburten im letzten Jahrzehnt ist deshalb kein für die Zukunft massgeblicher Trend, sondern eine Spätfolge des „Babybooms“ der 1950er und 1960er Jahre. Seit 1951 nahm die Zahl der Lebendgeburten kontinuierlich zu, bis sie 1964 mit 112'890 das historische Maximum erreichte. Durch die Einführung der „Pille“ sank sie danach bis auf 72'000. Da der Abstand zwischen den Generationen etwa 30 Jahre beträgt, sind die Kinder, die jetzt geboren werden, die Enkel der Generation des besagten Babybooms. Deshalb wird der gegenwärtige Anstieg der Geburtenzahl nicht von Dauer sein. Nach 2020 ist ein Rückgang der Geburten zu erwarten, und nach 2030 eine Zunahme der Todesfälle, weil dann die starken Jahrgänge der 1950er Jahre das Alter der grössten Sterblichkeit erreichen. Später wird die einheimische Bevölkerung alle 30 Jahre um 25% abnehmen, wenn die Fruchtbarkeit auf dem gleichen Stand bleibt wie heute. Ob dieser Schrumpfungsprozess immer durch Einwanderung kompensiert werden kann, ist fraglich, denn auch in Nachbarländern wie Deutschland werden weniger Kinder geboren als früher.

Alle, die in der Schweiz neue Überbauungen, neue Verkehrswege und neue Grosskraftwerke planen, müssen sich fragen lassen, ob ihre Annahme einer wachsenden Nachfrage nach Wohnraum, Mobilität und Energie überhaupt realistisch ist.

Helmut Knolle                                                       Mai 2011